Den Käse mit Buche umarmen

Text Giorgio Hösli, Bilder Peter Staub

E
s riecht holzig und hölzern in der geräumigen Schreinerei bei Strahlholz im appenzellisch Ausserrhodischen, wo aus rohen Buchenbrettern runde Käsejärbe entstehen. Der Järbmacher Chrigel Schläpfer schlängelt durch Gehobeltes, Gebeigtes, Abschnittiges, Fertiges und Maschinigs, selber holzbestäubt, mit Chruslen wie Holzspäne, eine Hautfarbe wie frisch aufgeschnittene Buche. Chrigel könnte sich mit einem Superlativ schmücken: der letzte, der einzige Järbmacher der Schweiz – doch dafür ist er zu bescheiden.
«Vor ungefähr fünfzehn Jahren wollte ich Holzjärbe (Käseformen aus Holz) für die Alp bestellen, aber der Käsereibedarfshandel hatte nur noch italienische Järbe aus Tropenholz oder solche aus Kunststoff», erzählt Chrigel. Er wollte weder das eine noch das andere und machte sich auf die Suche nach einem Järbmacher in der Schweiz. Er fand den Sohn des Järbmachers Fridolin Britschgi in Kerns, Obwalden. Vater Fridolin hätte Sohn Gerhard gerne in der vierten Generation der Järbmacher gesehen. Doch dieser war realistisch genug, einzusehen, dass heutzutage mit Käseformen aus Holz keine Familie zu ernähren ist.

Das Wissen sollte nicht verloren gehen

Der Vater seit Jahren tot, die Schreinerei jedoch noch unverändert, reichte Gerhard sein Wissen des Järbbaus an Chrigel weiter. Einen Winter lang reiste dieser für ein, zwei Tage im Monat nach Kerns, lernte von Gerhard, was noch an Know-how des Vaters vorhanden war, tüftelte, wo es in Fridolins Grab lag. Wohnen konnte er bei Gerhards Mutter Marie Britschgi, die ihn bis in «ihr Neunundachzigstes» mit Bett und Essen umsorgte.
2008 begann Chrigel mit eigener Produktion. «Das war schon herausfordernd, ich wusste nicht, ob ich es schaffen würde, Järbe von der Qualität Fridolins herzustellen. Aber ohne Probieren wüsste ich es heute noch nicht», meint Chrigel. «Ich wollte nicht, dass das ganze Wissen verloren geht, nur weil niemand mehr nachfragt.»
Und am Ende des Tages: Lohnt es sich? «Das fragen immer alle. Ich zähle keine Arbeitsstunden, denn falls ich merke, ich verdiene zu wenig, ja was, soll ich dann aufhören? Ich sage mir, ich hätte hier mehr als an einem schlechten Alplohn. Aber das Wichtigste: Mich freuts, wenn ich hier in der Werkstatt ‹omächnuschtä cha› und ein paar Dutzend Sennerinnen und Hofkäser meine Järbe schätzen.»